Wir haben es auf den letzten Touren schon häufiger so empfunden: Wohnmobilreisen werden in Europa immer stressiger und machen (uns) dadurch auch langsam weniger Spaß. Zumindest in Tourismus-Hot-Spots mit vielen "Sehenswürdigkeiten", die mittlerweile von unglaublich vielen Wohnmobilisten besucht werden, ist es total nervig geworden. Die Camping- und Stellplätze sind oft knallvoll und seit ein paar Jahren auch richtig teuer - meistens ohne einen besseren Service zu bieten. Und viele der Womo-Fahrer parken wie egoistische Idioten, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen! Da werden einfach mal 2 - 4 Parkplätze für einen Camper in Anspruch genommen. Ist doch anscheinend egal, ob andere Fahrzeuge dort nicht mehr parken können - Hauptsache, die Satellitenschüssel ist gut ausgerichtet. Das obere Foto entspricht ungefähr unserer persönlichen Wahrnehmung: zwei von drei Campern sind Ego-Deppen! 😉
Die Wohnmobile stehen überall herum: Die großen Fahrzeuge parken in Wohngebieten, auf PKW-Parplätzen, überwintern bei vielen Landwirten in deren Scheunen und sind mittlerweile das ganze Jahr über als Dauerparker auf (deswegen) überfüllten kostenlosen Stellplätzen anzutreffen. Manche Stellplatzbetreiber limitieren deshalb die Übernachtungen auf wenige Tage. Spontan verreisen wird auch schon schwierig. Bei den touristisch interessanten Spots findet man an den Wochenenden oder in der Feriensaison kaum noch ein freies Plätzchen. Und es gilt die Stellplatzregel: Wer schon früh am Nachmittag auf dem Stellplatz ist, wird einen Platz finden. Die Camper, die meinen, erst am Abend einen offiziellen Stellplatz anfahren zu können, werden sich umschauen und dann meistens weitersuchen müssen.
Der ganze Hype um's Campen wird langsam unerträglich - gepusht durch unzählige Vanlife-Youtuber und Wohnmobil-Blogger, sowie durch die Marketingmaßnahmen der Fahrzeughersteller mit ihren verlogenen Phrasen über die "Freiheit" mit dem Wohnmobil. Und ja, tatsächlich sind wir "Hesslingers" mit unserem Camper und dem Blog auch ein Teil des ganzen Problems!
Seit über 10 Jahren boomt die Camping-Branche kräftig, vor etwa fünf Jahren ging es richtig ab und seit Corona gibt eine total irrsinnige Entwicklung: Die Zulassungszahlen haben sich in nur vier Jahren mehr als verdoppelt, die Preise für Wohn- und Reisemobilemobile gehen exorbitant durch die Decke, die Bestelllisten bei Herstellern und Händlern sind lang und die Lieferzeiten für individuell konfigurierte Fahrzeuge betragen bis weit über ein Jahr. Zwar wuchs auch die Zahl der Camping- und Stellplätze in den vergangenen Jahren, allerdings wächst der Fahrzeugbestand deutlich schneller. Allein im vergangenen August kamen die deutschen Camper und Wohnmobilisten auf 9,15 Millionen Übernachtungen – das ist Rekord.
Die Folgen daraus sind nahezu in ganz Europa zu sehen: Total überfüllte und völlig überteuerte Camping- und Sellplätze führen leider dazu, dass immer mehr Camper das "Freistehen" bevorzugen. Wohl auch getriggert durch die Marketingmaßnahmen der Hersteller, die "eine bislang unerlebte Freiheit in der idyllischen und unberührten Natur" versprechen. Bullshit! Die Realität sieht leider beim Wildcampen anders aus. Angetrieben von sozialen Netzwerken (und Womo-Blogs wie unserem) gilt es mittlerweile als besonder hipp, den schönsten und unberührtesten Übernachtungsort zu finden. Doch weil es dort an Infrastruktur oder den Campern an Anstand sowie Verantwortung fehlt, sammeln sich an diesen Orten schnell Müll und entsorgte Fäkalien.
Leider gilt auch hier die alte Weisheit von H. M. Enzensberger "Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet!" Es wird immer schwerer, gute offizielle Übernachtungsplätze für ein Wohnmobil zu finden und das hat leider die drastische Zunahme von "Freistehern" mit all den damit zusammenhängenden Problemen zur Folge.
Aber beginnt da nicht gerade eine Trendwende? Auch wenn die Wohnmobil-Neuzulassungen von 2019 (47.050) bis 2021 (82.017) extrem anstiegen, sanken wohl im letzten halben Jahr von September '21 bis Februar '22 die Zulassungen im Vergleich zu den Vorjahresdaten um fünf Prozent, bei Wohnwagen sogar um 13 Prozent. (Quelle: CIVD) Das kann und wird natürlich aktuell an der stockenden Produktion mangels Rohstoff-Lieferungen und Zulieferteilen liegen, aber irgendwie werden auch immer mehr Camper nachdenklicher wegen der frustrierenden Situation in vielen Urlaubsorten. Es sind zuviele Freizeitmobile unterwegs und die Infrastruktur ist meist nicht auf diese Situation angepasst.
Hier und da liest man im Internet bereits einige Kommentare, die darauf hinweisen, dass sich immer mehr "des Campens überdrüssige" Camper Gedanken darüber machen, ihr Fahrzeug zu verkaufen. Auf den großen Verkaufsplattformen sieht man seit Monaten häufiger Verkaufsanzeigen von Wohnmobilen und Wohnwagen mit Erstzulassungen aus den vergangenen Jahren. Ist der Camping-Boom vielleicht bald vorbei?
Neben der massiven Zunahme der Fahrzeuge und der Überfüllung von Camping- und Stellplätzen kommen noch andere Faktoren hinzu, die den ein oder anderen nachdenken lassen, einen Fahrzeugverkauf zu erwägen: Die rasant steigende generelle Inflation (auch durch den Ukraine-Krieg) und aktuell die hohen Dieselpreise. Camping mit dem Wohnmobil ist schon seit Jahren ein recht teures Hobby - jetzt wird es aber für viele langsam zum "Luxusurlaub". Da spekulieren einige gefrustete Wohnmobilisten und erhoffen sich bei einem zeitnahen Verkauf noch recht hohe Gebrauchtwagenpreise. In ein, zwei Jahren wird das meiner Meinung nach anders aussehen: Die Gebrauchtwagenpreise werden dramatisch fallen und auf den Höfen der Händler wird man eine große Auswahl an Gebraucht- und Neuwagen haben. Vor allem größere, unhandlichere und verbrauchsstarke Wohnmobile werden meiner Meinung nach künfig weniger genutzt, als ursprünglich von ihren stolzen Käufern gedacht. Ich glaube, dass der Wertverlust bei diesen Reisemobilen auch viel größer sein wird als bei den kleineren und kompakten Fahrzeugen.
Nicht nur meine Glaskugel sagt, dass der Camping-Markt sich voraussichtlich bald wieder beruhigen wird, denn ein größeres Wohnmobil-Angebot wird auf eine geringere Nachfrage treffen. Auf der anderen Seite wird sich das Campen weiterentwickeln. Der Trend ist auf vielen Campingplätzen schon zu sehen: Es geht in Richtung "Glamping" - Campen der feineren Art. Es gibt immer mehr Wellnessangebote, sogar mietbare Privatduschen, Erlebnisgastronomie, Animationen und Unterhaltungsangebote. Das hat natürlich alles seinen Preis - Campen wird langsam richtig teuer!
Vielleicht ist das auch alles gut so ...
Ehrlich gesagt habe ich es auch nie so richtig verstanden, warum so viele Reisemobile von Menschen gekauft werden, die (als Arbeitnehmer) gerade mal 6 Wochen Urlaub im Jahr haben und diese Zeit meistens nicht komplett für Camping nutzen. Warum kauft man sich für 50.000 bis 100.000 Euro einen Kastenwagen oder Teilintegrierten, bzw. noch wesentlich teurere vollintegrierte Luxusreisemobile für ein paar Wochen Campingurlaub im Jahr? Da ist doch das Reisen mit einem Mietcamper viel kostengünstiger und vor allem auch ressourcenschonender. Mal ganz abgesehen vom Platzproblem auf den Straßen durch die ganzen parkenden Fahrzeuge außerhalb der Reisezeit. Vielleicht geht es vielen Deutschen einfach (noch) zu gut ...
Naja, ich lehne mich jetzt weit aus dem Fenster, aber als Rentner und - wenn die Gesundheit mitspielt - Langzeitreisender, kann der Kauf eines Fahrzeugs tatsächlich sinnvoll sein. Vor allem, wenn man einen kleinen und relativ sparsamen Camper möchte und ihn als einziges Fahrzeug nutzt.
Ach, noch etwas: Wenn ich nicht schon einen Camper hätte, würde ich mir ganz bestimmt keinen überteuerten Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr bestellen und dann noch über ein Jahr bis zur Auslieferung warten!
Zumal das (wahrscheinlich erst im Jahr 2023 ausgelieferte) Neufahrzeug schon wenige Jahre später nahezu unverkäuflich sein könnte: Ein Dieselverbrauch von oftmals deutlich mehr als 10 Liter/100 km mit entsprechenden CO2 und NOX-Abgaswerten ist dann bestimmt nicht mehr zeitgemäß. Und von diesen Fahrzeugen stehen relativ zeitnah plötzlich zigtausend zum Verkauf. Die fetten Jahre der Camping- und Wohnmobilbranche sind meines Erachtens bald vorbei ...
Info: Auf offiziellen Wohnmobilstellplätzen ist "Campingverhalten" wie zum Beispiel das Ausfahren von Markisen, das Anbringen von Vorzelten, das Aufstellen von Stühlen und Tischen vor dem Fahrzeug, das Auffahren auf Keile und insbesondere das "Grillen" und Wäschetrocknen außerhalb des Fahrzeugs untersagt! Das Blockieren von weiteren Stellplätzen sowieso!
Ich wünschte, ich könnte noch mit dem Fahrrad reisen !
Das hat jetzt zwar nichts mit dem Blog-Thema zu tun, aber diese Art zu Reisen hat mir früher richtig Freude bereitet:
Das Fahrrad war - neben den Füßen - für mich das mit Abstand beste Fortbewegungsmittel. Man hatte alles dabei, was man braucht und war mitten im Geschehen: Man bekam jeden Hügel mit, spürte das Wetter direkt auf der Haut und war schnell genug, um auch gößere Distanzen zu überwinden. Und vor allem langsam genug, um die Landschaften zu genießen und Kontakt zu den Menschen zu haben.
Leider konnte ich mit dem Rad nur bis Ende der 1990er reisen. Seit mehr als 20 Jahren geht das krankheitsbedingt nicht mehr.
Und weil das blöderweise so ist, haben wir uns ein relativ kleines Reisemobil gekauft ...